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STIMMEN

.....Auch hier das Wissen um eine Welt hinter den Dingen
- Gegenstück zu seinem bereits genannten Symbolismus
- um das Bemühen, diese Dinge nicht nur physisch,
sondern auch durch Einordnen in eine übergreifende
Einheit aufzuheben - ein Beitrag an das Prinzip innerer
Ordnung in dieser chaotischen Welt.
Dr. Walter Ruppen

U.W. ist Kunstschaffender. Mit seinen Werken reagiert
er auf eine Epoche in der naturgegebene Grenzen immer
mehr verloren gehen. Dass kritische Töne nicht laut sein
müssen, beweist er auf eindrückliche Weise.
Nathalie Benelli

Es ist mir also unmöglich, ein Bild von U.W. vor mir zu
haben, ohne zu einer Unzahl von Überlegungen angeregt
zu werden. Obgleich letzten Endes jedes Bild über Emotion
seine Wirkung erzielt, läuft dieser Mechanismus hier und
bei mir über mannigfaltige Assoziationen ab.
Dr. Romeo Gentinetta

Gibt es ein stärkeres Zeichen Vergänglichkeit festzuhalten
als die in Bronce gegossenen Holzfundstücke von U.W.?
Kommt hinzu, dass das verwitterte Holzstück - einmal
in Bronce gegossen unseren Blick verändert, schärft
und schult. Und was ist das Museum anderes als eine
Sehschule?
Thomas Antonietti

Die Kunst von U.W. ist nicht eine schmetternde Trompete
und noch weniger ein Paukenschlag, wohl aber eine linear
zeichnende Oboe oder eine innige Panflöte.
Dr. Walter Ruppen

Pol und Antipol / Satz und Gegensatz und Widerrede /
Zeigen und Schauen. Gegensätzliches in der Form
vielleicht - nicht aber in der Bedeutung für U.W., der
es liebt Spannung bildhaft zu zeigen, Brückenschlag
zwischen so vielen Dingen.
Dr. Silvio Pacozzi

U.W. und seine Bilder
Die Rolling Stones sangen einst:
Its the singer not the song
C'est le chanteur pas la chanson.
Es ist der Künstler nicht das Werk.
Und für viele heutige Künstler mag dieses Diktum
stimmen, wenn es aber für einen definitiv nicht stimmt,
dann für U.W.
Hermann Anthamatten

Wie Wege, Stege, Treppen, Strick - Leitern. Eine Leiter
Ist keine Leiter ist eine Leiter. Eine Leiter. Führt. Heiter.
Weiter. Leiterspiel.
Jeanine Volken

Italo Calvino und dessen "Baron in den Bäumen"
fällt in den Sinn, "Decamerone", auch Lied und Politik
und leise Hoffnung im Spaß, Reservat des
Zukunftsgläubigen?
Ines Mengis

Wo immer Surrealistisches und bei aller Gegenständlichkeit
Bizarres vorkommt: Es bleibt letztlich enigmatisch, für
die Rezeption nicht ganz fassbar.
A. Maag

...Il nous propose aussi des paysages oniriques avec
des personages comme suspendus dans l'espace sur un
balcon céleste avec des cadrages très particuliers nous
emmenant vers le rêve de temps envolés; dialogue avec
l'infini de l'imagination et du songe.
J.M. Theytaz

Seine Figuren wirken klar und geheimnisvoll: Die Klarheit
schöpfen diese Werke aus ihren Formen, das Geheimnisvolle
aus ihrer Ausstrahlung. Im "Einfachen" steckt das Klare.
Lothar Berchtold

Läuft nun U.W. Gefahr, der Natur zu nahe zu treten und
dadurch an Kreativität zu verlieren? Ich glaube kaum.
Seine Naturnähe ist nur scheinbar. Denn die Stilmittel,
die wir aufgezählt haben, sind samt und sonders Zugabe
des Künstlers - und nicht Vorgabe der Natur.
Dr. Walter Ruppen

Das bunte Treiben im Kopf des Sehenden
Ein durchlässiger Kopf.
Er lässt einfließen. Er ist offen
Der Sehende sammelt Ansichten. Sein Kopf treibt mit
seltsamer Fracht über das Weltmeer.
Lässt die bunte Fracht in seinem Kopf treiben
Treibt sie es zu bunt
Ruft er sie zur Ordnung:
Alles an seinen Platz! Ordnung muss sein!
Aber keine strenge.
Im Kopf die Sehenden ist alles beweglich
Vor allem die Ordnung.
Silvan Imhof

 

 

Uli Wirz – ein Künstler im Zeitalter des Anthropozäns

Auf der Suche nach der verlorenen Natur

Sein Werk mäandert in viele Richtungen: Uli Wirz beherrscht die verschiedensten handwerklichen Techniken, bedient sich der unterschiedlichsten künstlerischen Praktiken. Doch die formale Vielfalt kennt eine innere Kohärenz. Das grosse Thema bei Uli Wirz lautet: Natur.
Befasst sich ein Kunstschaffender mit der Natur, wird aus dieser schnell einmal Kultur. Nicht die Natur an sich ist denn auch der Inhalt der Auseinandersetzung, sondern die Beziehung des Menschen zur Natur. Mit Themen wie Klimawandel oder Umgang mit natürlichen Ressourcen steht diese Beziehung heute im Zentrum der politischen Debatte. Und mit dem Konzept des Anthropozäns befeuert sie die wissenschaftliche Diskussion. Als Anthropozän bezeichnen Wissenschafter ein neues geologisches Zeitalter, bei dem der Mensch zum entscheidenden Einflussfaktor natürlicher Prozesse auf der Erde geworden ist.
Diese grundlegende Veränderung in der Mensch-Natur-Beziehung ist es, die den Künstler Uli Wirz beschäftigt: „Das Verhältnis zwischen Nehmen und Geben in naturbedingten Kreisläufen ist gestört. Die Grenzen, die die Natur dem Menschen bis vor Kurzem gesetzt hat, sind weggefallen.“ * Es sind also nicht zuletzt gesellschaftliche Werte, die Wirz in der Natur zu erkennen meint und die er als verloren glaubt. Aus dieser Verlusterfahrung heraus entwickelt er eine kreative Kraft, die – fern jeder Natur-Romantik – einem ökologischen Denken verpflichtet ist, das seinen Anstoss im politisch-künstlerischen Umfeld der 1970er Jahre findet. Die Ehrfurcht vor der Natur paart sich so bei Wirz’ gestalterischem Tun mit Schalk, Spiel und Fantasie.
„Nur über Irritation und Geheimnis können Bilder Leben erweitern,“ sagt der Künstler. Dem hohen Anspruch, das Leben zu erweitern, wird er mit Werken gerecht, die mit Vorliebe gängige Sichtweisen durcheinander bringen. Und ein Stückweit soll das Leben Geheimnis bleiben. Die Entzauberung der Welt geht Uli Wirz zu weit. Mit seinem Tun möchte er sie deshalb wieder ein klein wenig verzaubern. Doch ist die Verzauberung bei ihm ein Akt der Bewusstmachung. Was geheimnisvoll ist, verdient Achtsamkeit und Wertschätzung.
Bei Wirz erscheint die Natur als Ideal. Und als Künstler findet er in ihr die perfekte Form. Ähnlich dem Freilichtmaler sucht er seine Motive in der Landschaft, um sie dann aber im Atelier umzusetzen. Doch nicht etwa die Abbildung der Natur ist sein Ziel, als vielmehr die Erweiterung von deren Wahrnehmung. Ausdruck dieser Haltung sind etwa die weiten Weissflächen seiner Zeichnungen, die – als abstrahierendes Gestaltungselement – Raum schaffen für die Inwertsetzung des Wesentlichen.

Die Überführung in andere Kreisläufe

Bei der Frage nach dem Verhältnis von Natur und Kultur geht es Uli Wirz nicht zuletzt um das Ausloten einer zeitlichen Dimension. Seine Figuren und Skulpturen bewegen sich in einer Zwischenzone von Zeitgebundenheit und Zeitlosigkeit. Dieses Spiel mit Vergänglichkeit und Dauer findet sichtbaren Niederschlag in der Umgestaltung von einfachen Fundstücken aus Holz in gediegene Bronzeskulpturen. Fossilien ähnlich, tragen die Bronzen Zeugnisse von Leben in eine neue Zeit.
Doch in der Umwandlung von Holz in Bronze verbirgt sich noch ein weiteres Anliegen des Künstlers. Die Bronze-Veredelung des Holzes ist dazu angetan, im vordergründig Wertlosen materiell kaum fassbare Qualitäten zu erkennen und dadurch Zuneigung zu wecken zu kleinen, einfachen Sachen. Nicht zuletzt diese Einfachheit ist es wiederum, die den Bronzeskulpturen Intensität und Tiefe verleiht.
Dabei handelt es sich bei Wirz’ Fundstücken weniger um objets trouvés als vielmehr um Gegenstände, die die Kunst bereits in sich tragen. Durch das Erkennen, Aufgreifen, Festhalten und Übertragen von Formen und Strukturen betreibt der Künstler eine Art Spurensicherung; wobei die Form der Übertragung so schlicht wie eine Strichzeichnung oder so vornehm wie eine Bronzeskulptur daherkommen kann. Mit gezielten Eingriffen und Umformungen überführt der Künstler Gegenstände aus Natur und Alltag in einen anderen Kreislauf. Aus vergänglichen und wertlosen Fundobjekten werden dauerhafte und wertgeladene Kunstwerke, aus dem Zufall der Natur entsteht kulturelle Sinngebung.
Der Blick von Uli Wirz auf die Welt entspricht einer Art Nahsicht. Über die intime Bekanntschaft mit kleinen Dingen gewinnt er für sich wie für den Betrachter Einsichten in grössere Zusammenhänge und erweitert so die Wirklichkeit.

Genauigkeit als Notwendigkeit

Hinter dem Werk von Uli Wirz verbirgt sich eine Lebenseinstellung. So findet die Gewissenhaftigkeit des Charakters ihre Entsprechung in der Präzision des Arbeitsprozesses. Und umgekehrt formt das künstlerische Schaffen die menschliche Natur: „Das Zeichnen schärft die Sinne, führt zur Persönlichkeit, macht beweglich.“
Die Exaktheit im methodischen Vorgehen ist bei Uli Wirz Programm. Die Beherrschung der handwerklichen Fertigkeiten schafft Übersicht und Lesbarkeit. Und durch das Wissen um gestalterische Gesetzmässigkeiten entstehen Kompositionen, die stimmig wirken, aber auch Ungleichgewichte, die bewusst gesetzt scheinen. Gleichzeitig eröffnet uns diese Kunst der Genauigkeit Einsichten in Zusammenhänge über Natur, Mensch und Zeit, die weder durch wissenschaftliche Ansätze noch durch digitale Medien eruiert werden können. Uli Wirz sondiert in einer Welt des Mehrdeutigen und des Imaginären; einer Welt, die sich uns mehr und mehr entzieht.
Doch bei aller handwerklichen Perfektion lässt Uli Wirz dem „Geheimnis“ auch im konkreten Schaffensprozess seinen Platz. Zur strengen Reflexion gesellen sich ganz selbstverständlich kreative Gehilfen wie das Unterbewusstsein oder der Traum. „So schleicht sich Geheimnisvolles, Surreales, Rätselhaftes ins Bild.“ Aus dem Zusammenspiel von Routine und Vortasten, von Selbständigkeit und Sich-Gehen-Lassen entsteht eine Art Zufälligkeit. Es ist jene Zufälligkeit, die sich der Beliebigkeit entgegenstellt.

Thomas Antonietti

* Sämtliche Zitate in diesem Text stammen aus Notizen von und Gesprächen mit Uli Wirz.